Das Friedenshortwerk – Hausmagazin

Sexualität – ein Tabu-Thema? Schwerin. »Wenn ihr beide in einem Zimmer seid, bleibt die Tür offen, denn ihr seid Junge und Mädchen!«, »Be - ziehungen sind hier nicht erlaubt!«, »Nein, dein Freund darf nicht bei uns schlafen, auch wenn ihr beide über 16 Jahre alt seid!« Verbote, Regeln, Einschränkungen – dabei ist auch in der stationären Jugendhilfe Sexualität allge - genwärtig. Die Sexualpädagogik ist ein wichtiger Bereich der Erziehung und Aufklärung, der dazu beiträgt, dass Kinder und Jugendliche ein gesundes Verständnis von Sexualität entwickeln. Dem gegenüber steht jedoch unter anderem die ständige Präsenz von Mitarbeitenden sowie anderen Kindern und Jugendlichen in der Wohngruppe. Ein professioneller Umgang mit dem Thema ist außerdem nicht immer selbstverständlich. Daher fand imMärz eine Fortbildung zum Thema »Sexual- pädagogik« in der Wohngruppe Seerosen in Schwerin statt, zu der auch die Teamleitungen aus Wittstock und Heiligengrabe eingeladen wurden. Durch viele praktische Anregungen und theoretische Inhalte wurde deutlich, dass die zum Teil große Altersspanne der Pädagoginnen und Pädagogen eine unterschiedliche Haltung mit sich bringt. Gerade die »älteren« Kolleginnen und Kollegen stellten fest, dass Sexualaufklärung »früher« kaum statt - fand. Die Geschichte von Bienchen und Blümchen oder die Jugendzeitschrift Bravo – das war einmal. »Briefmar - kensammlung angucken« sagt heute niemand mehr und (monogame) Liebesbeziehungen bestehen nicht mehr selbstverständlich aus Mann und Frau. Die jüngeren Mit - arbeitenden hingegen wussten, dass man heute »Netflix gucken geht«, wie man eine Menstruationstasse nutzt oder wie man den diggiraum (www.diggiraum.de ; ein digitales »Zimmer« mit Videos, Quiz etc. zu Themen wie Liebe, Sexualität und Verhütung) in die tägliche Arbeit einbinden kann. Wie wichtig die Bereitschaft und Haltung der Pädagogin - nen und Pädagogen im Bereich der Sexualpädagogik ist, verdeutlichte folgende Übung: Alle Teilnehmenden stell - ten sich (als Jugendliche) in einem Kreis auf. Der Dozent Danilo Ziemens vom Sexualpädagogischen Institut Dres - den forderte die Fachkräfte auf, einen Schritt vor, zurück, nach links oder rechts zu gehen. Im zweiten Schritt soll - ten sie in der Rolle der Jugendlichen genau das Gegentei - lige tun und zum Abschluss durfte jeder frei entscheiden, welchen Schritt er gehen möchte. Diese Übung zeigte, in welcher Vielfältigkeit wir heute leben. Unsere Aufgabe als Fachkraft kann es hier nur sein, Kinder und Jugendliche zu ermutigen, sich mit ihren Wünschen und Bedürfnissen auseinanderzusetzen, selbstbestimmte Entscheidungen über ihre eigene Sexualität zu treffen und sie auf diesem Weg individuell zu begleiten. Die Fortbildung war ein voller Erfolg. Es blieb ausreichend Raum, auch gesetzliche Vorgaben und die damit verbun - dene Aufsichtspflicht in Einrichtungen zu besprechen. Zu - dem hat sie die Mitarbeitenden ermutigt, sich erneut mit den bestehenden Regeln, Einschränkungen und ggf. Ver - boten auseinanderzusetzen und in Zusammenarbeit mit den Kindern und Jugendlichen stetig neu zu definieren, so dass es in Zukunft ganz selbstverständlich heißt: »Na - türlich dürft ihr euch in einem Zimmer aufhalten und die REGION OST 46

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