Timon Brandenberg (Regionalleitung Nord) führte durch das Programm und hatte mit seinem Leitungsteam die Tagung organisiert
Timon Brandenberg (Regionalleitung Nord) führte durch das Programm und hatte mit seinem Leitungsteam die Tagung organisiert
Moritz Becker gelang ein sehr anschaulicher Einblick in die Bedeutung sozialer Medien für Kinder und Jugendliche
Moritz Becker gelang ein sehr anschaulicher Einblick in die Bedeutung sozialer Medien für Kinder und Jugendliche
Ein Blick ins konzentrierte Plenum. Die Vorträge zu dem komplexen wie interessanten Thema gaben viele Anregungen und sorgten für Gesprächsstoff.
Ein Blick ins konzentrierte Plenum. Die Vorträge zu dem komplexen wie interessanten Thema gaben viele Anregungen und sorgten für Gesprächsstoff.
Um „Herausforderungen und Perspektiven der Digitalisierung für die soziale Arbeit“ ging es bei Adrian Roeske, wiss. Mitarbeiter am Institut für Informationsmanagement Bremen
Um „Herausforderungen und Perspektiven der Digitalisierung für die soziale Arbeit“ ging es bei Adrian Roeske, wiss. Mitarbeiter am Institut für Informationsmanagement Bremen
Präsentierte ein anspruchsvolles Thema höchst interessant und aus einem ethisch-philosophischen Blickwinkel: Dr. Thomas Damberger
Präsentierte ein anspruchsvolles Thema höchst interessant und aus einem ethisch-philosophischen Blickwinkel: Dr. Thomas Damberger
Hedwig Kuhn (Leitung Beratungsstellen Region Süd) wurde vom Vorstand aus dem Kreis der Teilnehmenden verabschiedet, da der Ruhestand naht
Hedwig Kuhn (Leitung Beratungsstellen Region Süd) wurde vom Vorstand aus dem Kreis der Teilnehmenden verabschiedet, da der Ruhestand naht
Dienstjubilarin Margret Stenkamp (Einrichtungsleitung Dorsten) wurde mit dem Silbernen Friedenshortstern geehrt
Dienstjubilarin Margret Stenkamp (Einrichtungsleitung Dorsten) wurde mit dem Silbernen Friedenshortstern geehrt
Ein wenig kulturelle Entspannung: Ausflug nach Hamburg mit Besichtigung der Elbphilharmonie. Im großen Saal probte das City of Birmingham Symphony Orchestra unter der Leitung der jungen litauischen Dirigentin Mirga Gražinytė-Tyla
Ein wenig kulturelle Entspannung: Ausflug nach Hamburg mit Besichtigung der Elbphilharmonie. Im großen Saal probte das City of Birmingham Symphony Orchestra.

Digitalisierung und ihre Herausforderungen

Erstellt von Henning Siebel |

Ein komplexes und zugleich spannendes Thema stand auf dem Programm der diesjährigen Tagung für leitende Mitarbeitende des Friedenshortes.

Jesteburg. „Medienpädagogik und Digitalisierungsoffensive im Friedenshort“ – ein gleichsam ambitioniertes wie komplexes Thema stand im Zentrum der diesjährigen Tagung für leitende Mitarbeitende der Stiftung Diakonissenhaus Friedenshort und ihrer Tochtergesellschaften. Gastgeber der Tagung, die diesmal in Jesteburg (Landkreis Harburg) stattfand, war die Region Nord. „Eigentlich kommen wir ja alle noch aus einer analogen Gesellschaft“, befand Götz-Tilman Hadem (Vorstand und kaufm. Leitung) in seiner Begrüßung. Aber es ändere nichts an der Tatsache, dass es gesellschaftliche Umwälzungen gebe, denen man sich stellen müsse. „Mehr und mehr haben wir es in unserer sozial-diakonischen Arbeit mit Menschen zu tun, für die eine digitale Welt eine Selbstverständlichkeit ist“, so seine Feststellung. Digitale Teilhabe, Digitalisierung von Prozessabläufen und Datenschutz waren einige der Parameter, die Hadem beispielhaft als weitreichende Aufgabenstellungen nannte. Die neuen Entwicklungen enthalten aus seiner Sicht Chancen und Risiken gleichermaßen, deshalb gelte es mit Weitsicht zu handeln und anstelle vieler Einzellösungen sinnvolle Gesamtlösungen auf der digitalen Ebene anzustreben: „Lassen Sie uns die Chancen gemeinsam nutzen!“

Die digitale Welt hatte zuvor auch Pfr. i.E. Christian Wagener ins Zentrum seiner Andacht gestellt, vor allem mit Blick auf die einerseits nützlichen Alltagsbegleiter, die jedoch anderseits persönliche Daten und Vorlieben der Nutzer zuhauf sammeln. „Google und Gott – nicht nur den Anlaut haben die beiden gemeinsam, beide gelten als allweise und allmächtig“, so Pfr. i.E. Wagener: „Google und Co. wollen, dass wir uns offenbaren. Gott aber hat sich uns offenbart, damit wir erkennen, wie er es mit uns meint.“ Die digitalen Möglichkeiten gelte es zwar zu erkennen und als Arbeitsmittel zu nutzen, aber nicht zu erhöhen. Denn sie würden zwar Lösungen anbieten, aber erlösen könnten sie uns nicht: „Jedenfalls antworte ich auf die Frage nach dem Grund für eine verheißungsvolle Zukunft immer noch mit Gott und nicht mit Google – und weiß mich lieber getragen als gestalkt.“

Anerkennung und Aufmerksamkeit vermitteln

Die Nutzung der sozialen Medien durch Kinder und Jugendliche und die damit verbundenen pädagogischen Herausforderungen beleuchtete Referent Moritz Becker (Smiley e.V.) auf sehr anschauliche Weise. Unabhängig davon, ob man es gut oder schlecht finde – Aufmerksamkeit und Anerkennung würden Jugendliche heutzutage zum großen Teil über soziale Medien beziehen. „Daher ist eigentlich der dümmste Satz, den wir als Erwachsene zu Jugendlichen sagen können, dass es doch egal ist, was andere über einen denken“, betonte Becker. In der Pubertät gebe es nichts Wichtigeres als diese Frage, insofern erfüllten soziale Medien genau dieses Bedürfnis Jugendlicher nach Stabilität. Aber leider könnten eben diese sozialen Medien auch das genaue Gegenteil bewirken, nämlich die „dislikes“, das Bekunden von Unbeliebtheit. Als Außenseiter behandelt zu werden, sei für Jugendliche in der Pubertät besonders schlimm. „Leider kann Internet-Mobbing sehr brutal und gnadenlos sein“, zeigte der Referent anhand einiger Beispiele auf. Da seien typische Erwachsenen-Ratschläge wie „selbst schuld“ eher wenig hilfreich. Vielmehr gelte es, die Jugendlichen bedingungslos zu stärken. Dies gelinge nur über Anerkennung und Aufmerksamkeit, auch wenn die Jugendlichen teils Dinge machten, die man als Erwachsener gar nicht verstehe: „Wir müssen die Kinder und Jugendlichen dort abholen, wo sie sind.“

Welche pädagogischen Wege im Friedenshort bereits beschritten werden, zeigte Cordula Bächle-Walter (Distriktleitung Hohenlohe) auf. Sie erläuterte die Ausbildung von Medienscouts in der Region Süd und die bisherigen Ergebnisse der überregionalen Arbeitsgruppe Medien. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei das veränderte Rollenverständnis von Jugendlichen und pädagogischen Mitarbeitenden mit Blick auf die rasante Entwicklung der sozialen Medien: „Mitarbeitende und Kinder lernen miteinander, dabei sind die Kinder vielleicht sogar flotter, was das technische Verständnis anbelangt, die Mitarbeitenden sind aber Anleiter und können sinnvolle Nutzungsmöglichkeiten aufzeigen.“ Weitere werksinterne Referenten waren Frank Gamboa (Leitung IT) und Henning Siebel (Öffentlichkeitsarbeit), die zum Thema IT-Sicherheit und IT-Infrastruktur sowie zur vorgesehenen Weiterentwicklung des Internetportals informierten.

Um „Herausforderungen und Perspektiven der Digitalisierung für die soziale Arbeit“ ging es bei Adrian Roeske, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Informationsmanagement Bremen. Hierzu benannte er mehrere unterschiedliche Ebenen. Auf der Makro-Ebene geht es in den Arbeitsfeldern der Jugendhilfe heute um junge Menschen, deren Leben völlig medial durchdrungen ist und die sich über Medien ausdrücken. Die Organisations- oder Meso-Ebene meint die Nutzung digitaler Medien zum Informationsaustausch. Die Mikro-Ebene ist die digitalisierte Lebenswelt jedes Einzelnen. Für Roeske impliziert Digitalisierung, dass Organisationen der sozialen Arbeit sich über notwendige Prozesse Klarheit verschaffen und Standards etablieren müssen. Dies umfasst zum Beispiel den Bereich der Qualifizierung, den Bereich der Vermittlung von Medienkompetenz und produktiven Nutzungsformen, Datensouveränität und die Fähigkeit, die eigene Haltung zu digitalen Medien zu reflektieren: „Es ist eine der Kernaufgaben, jungen Menschen aus einer mediatisierten und datafizierten Lebenswelt kompetenten Schutz und Begleitung zu bieten.“

Menschliche Existenz überwinden?

Viel Gesprächsstoff bot der facettenreiche ethisch-philosophisch geprägte Beitrag von Dr. Thomas Damberger (Leuphana Universität Lüneburg) zu den Aspekten „Künstliche Intelligenz“, „digitale Evolution“ und „Transhumanismus“. Die Entwicklung, die Damberger aufzeigte, ist offenkundig rasant und in vielen Bereichen auch kritisch zu hinterfragen, was der Referent ebenfalls verdeutlichte. So gebe es Forscher, die der Künstlichen Intelligenz eine Entwicklung vorhersagten, die das menschliche Niveau derart überschreite, dass sie letztlich auch nicht mehr beherrschbar sei.  Transhumanisten als besondere Vertreter dieser Forschung strebten beispielsweise an, die Grenzen der menschlichen Existenz mit Hilfe technischer Verfahren zu überwinden. Damberger zeigte dies am Beispiel der Anhänger der Kryonik auf, die ihre Körper nach dem Tod in flüssigem Stickstoff einfrieren lassen, um vielleicht irgendwann nach zukünftiger Weiterentwicklung von Forschung und Wissenschaft wieder zum Leben erweckt zu werden. Oder das Beispiel von Hans Moravec: Der renommierte Robotiker beschreibt in „Mind Children“ ein Verfahren, die Neuronen des menschlichen Gehirns vollständig zu kopieren und zu speichern, so dass der Mensch quasi im virtuellen Raum leben kann. Eine „virtuelle Unsterblichkeit“ prognostiziert auch einer der Vordenker des Transhumanismus, Raymond Kurzweil. Der Google-Chefentwickler ist sich laut Damberger sicher, dass Künstliche Intelligenz in nicht allzu ferner Zukunft das Ende der Menschheit in jetziger Form bedeutet. Dies sei aber kein Problem, sondern in technischer Verschmelzung mit Künstlicher Intelligenz existiere der Mensch dann als ein post-humanes Wesen weiter. Damberger verdeutlichte, dass es nur wenige bis gar keine zum Beispiel philosophisch-kritischen Wissenschaftler gebe, die solchen Bestrebungen etwas entgegensetzen würden.

Wie immer bot die Tagung auch Raum für alle Regionen und Bereiche des Werks, auf aktuelle Entwicklungen einzugehen. Mit dem Dank an die hervorragende Organisation durch das Leitungsteam der Region Nord endete eine anspruchsvolle und interessante Tagung.

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